Serkowitzer FSV - von Null auf 100 im Frauen- & Mädchenfußball

Patrick Fischer ist Vorsitzender des Serkowitzer FSV und gründete 2019 die Frauenabteilung des Vereins. Seitdem ist viel passiert: Eine stetig steigende Anzahl an fußballbegeisterten Frauen und Mädchen in allen Altersklassen, deutlich gestiegenes sportliches Niveau und immer mehr Ehrenamtliche, die sich für die Teams einsetzen. Das alles sorgt dafür, dass die hervorragende Arbeit des Serkowitzer FSV mittlerweile weit über die Dresdner Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Wir möchten die aktuelle DFB-Women's Week zum Anlass nehmen, die Arbeit des Vereins in einem Interview näher zu beleuchten.

Langer Tag für Jörg Gernhardt: Nach der Medienrunde im Rahmen des Working Visit in Leipzig ist SFV-Vizepräsident direkt zum Serkowitzer FSV gefahren, um Patrick Fischer persönlich zur Aufnahme in den Club 100 zu gratulieren. © Clemens Dymke

Patrick, bitte beschreibe kurz den Serkowitzer FSV. Was macht den Verein aus?

Der Serkowitzer FSV ist ein Verein, der sich insbesondere um die Breitensportförderung bemüht. Viele Jahre existierte ein Männerbereich als Fortführung der zuvor als BSG Frühgemüsezentrum angetretenen Mannschaft ohne gezielte Nachwuchsförderung. Die Bestrebung der letzten 15 Jahre bestand darin, einen vollständig funktionierenden Nachwuchsbereich als Unterbau für die Männermannschaft zu erschaffen. Dies stand im Spannungsfeld mit dem Angebot anderer Vereine vor Ort. Letztendlich ist es gelungen, die Lücken Stück für Stück zu schließen und nach längerer Durststrecke auch die eigene Männermannschaft mit Spielern zu versorgen, die seit der F-Jugend Vereinsmitglied bei Serkowitz sind.

In den letzten Jahren wurden zudem viele Positionen rotiert und durch überwiegend junge Entscheidungsträger besetzt. So befinden sich sowohl im Vorstand als auch im Betreuerstab der Mannschaften mehrheitlich Ehrenamtliche wieder, die zwischen 18 und 35 Jahren alt sind. Dieses junge Team soll dem Verein, insbesondere vor allem aber den Eltern jüngerer Nachwuchsspieler:innen ein frisches Image vermitteln - bis dato mit Erfolg. Der Verein hat seine Mitgliederzahl in den letzten vier Jahren mehr als verdoppelt. Weiterhin sind kurze Entscheidungswege das A und O in unserem Verein, sodass individueller Bedarf schnellstmöglich abgedeckt werden kann und etwaige Problempunkte umgehend erkannt und aus der Welt geschafft werden.

Der Serkowitzer FSV ist um eine bodenständige und solide Vereinsführung hinsichtlich der finanziellen Situation bemüht. Der Verein finanziert sich über moderate Mitgliedsbeiträge. Somit funktioniert er losgelöst von Sponsoren unabhängig und sieht das Sponsoring stets als Bonus an. Auch die Zeit der wiederkehrenden Corona-Pausen überstanden wir finanziell sehr gut - sodass wir den Mitgliedern sogar den Beitrag für diesen Zeitraum erlassen konnten.

Wie kam es zur Gründung der Frauenabteilung beim FSV?

Im Umfeld des Vereins gab es einzelne Frauen, die grundlegend Interesse hegten, selbst aktiv Fußball zu spielen. Mangels eigener Frauenabteilung vermittelte ich die Spielerinnen im guten Glauben an Vereine in Dresden, deren Arbeit auf mich einen guten Eindruck hinterließ. Hierbei wurde aber ein Problem sichtbar: Die Vereine haben meist keine Kapazitäten für sportliche (erwachsene) Neulinge und begegneten meinen Vermittlungsversuchen mit Gleichgültigkeit. Aus diesem Grund entschied ich mich, das Ganze selbst in die Hand zu nehmen. Das erste Training fand dann im April 2019 mit fünf Teilnehmerinnen statt: Interessierte Neulinge u.a. Mütter von Nachwuchsspielern.

Wie entwickelte sich der Bereich seitdem? Was sind die Gründe für den positiven Werdegang?

Recht schnell schlossen sich dem neuen Projekt weitere Spielerinnen an - teilweise mit Vereinserfahrung. Im Bestreben, die Mannschaft wachsen zu lassen, wurde in dieser Zeit sehr viel Werbung über die sozialen Medien gemacht, wodurch auch der benachbarte 1. FFC Fortuna Dresden aufmerksam wurde und uns im ersten Jahr mit dem eigenen Anschlusskader in Form einer Spielgemeinschaft unterstützte. Diese Zusammenarbeit wurde unter dem massiven Zulauf weiterer Spielerinnen und einiger Wechsel zwischen den Vereinen nach einem Jahr auf Eis gelegt.

In der zweiten Saison (2020/21) meldeten wir unsere Frauen demzufolge eigenständig. Wir gingen sogar mit zwei Teams (Kleinfeld) in die Saisonplanung der Kreisoberliga Dresden. Im Rahmen der Saisonvorbereitung stieß nochmals eine erhebliche Anzahl von Neuzugängen hinzu, wodurch wir nachträglich sogar noch eine 3. Mannschaft im Freizeitwettbewerb des Kreises Sächsische Schweiz / Osterzgebirge meldeten. Am Ende der abgebrochenen Saison stand ein zweiter Platz für unsere 1. Mannschaft und der Gewinn des Dresdner Stadtpokals zu Buche.

Im dritten Jahr starteten wir dann mit unserer 1. Mannschaft in der Landesklasse Ost (Großfeld) und konnten uns nach einer kurzen Findungsphase gut etablieren. Die 2. Mannschaft konnte zudem fast den Vorjahreserfolg der 1. Mannschaft wiederholen und scheiterte erst im Neunmeterschießen des Finalspiels um den Dresdner Stadtpokal. Nun stehen wir im vierten Jahr. Die ersten beiden Mannschaften konnten sich in den jeweiligen Wettbewerben oben festsetzen und auch die 3. Mannschaft konnte sich erstmals über Punkte freuen. Mit der Entwicklung sind wir mehr als zufrieden.

Parallel konnten wir seit 2021 im Nachwuchsbereich mit reinen Mädchenmannschaften in den Wettbewerb starten. In den wöchentlich stattfindenden Kinderfestivals standen die Mädchen weitestgehend Mannschaften gegenüber, bei denen ausschließlich Jungen kicken. Dennoch konnte man sich hier erfolgreich etablieren und rapide wachsen. Somit sind mittlerweile ca. 50 Mädchen im Nachwuchs aktiv. In die anstehende Rückrunde starten wir mit zwei E- und zwei F-Juniorinnen-Mannschaften.

Über die Gründe für den positiven Werdegang können wir nur Mutmaßungen anstellen. Dem Projekt wurde und wird viel Zeit gewidmet. So sind wir nicht nur bein der Akquise neuer Spielerinnen (völlig unabhängig von der jeweiligen Fußballerfahrung) akribisch, sondern versuchen auch stetig, vereinsintern Anhänger zu finden, die sich als Betreuer der mittlerweile sieben weiblichen Mannschaften zur Verfügung stellen. Hierbei sind wir wie im gesamten Verein bedacht, möglich auf junge und frische Kräfte zu setzen. Der Bezug zwischen Trainern und Spielerinnen ist daher sowohl bei den Erwachsenen als auch im Nachwuchs stets freundschaftlich geprägt. Selbstverständlich werden dennoch sportliche Ziele verfolgt.

Habt ihr für die Zukunft besondere Projekte im Bereich Ehrenamt geplant?

Im Sommer wird das Vereinsfest zum 50-Jährigen Jubiläum des Vorgängervereins (siehe oben: BSG Frühgemüsezentrum) stattfinden. Hierbei planen wir das eine oder andere Event. Der Tag des Mädchenfußballs steht ebenso auf dem Plan wie ein Benefizturnier. Für einzelne Teams im Verein werden zudem noch namhafte Gegner gesucht, um das Wochenende vom 30.06.2023 bis zum 02.07.2023 zum absoluten Highlight zu machen.

Was ist für dich das Besondere an der Arbeit im Verein? Warum engagierst du dich?

Ich bin in diese Rolle mehr oder weniger unfreiwillig geschlüpft, da ich als aktiver Spieler lange von Verletzungen geplagt war, den Bezug zum Verein, mit dem ich den einen oder anderen Erfolg feiern konnte, aber nicht im Frust über das eigene Verletzungspech verlieren wollte. Somit wurde ich in verschiedenen ehrenamtlichen Positionen (angefangen bei den Männern, dann im Vorstand, dann bei den Frauen und anschließend im Nachwuchs) tätig. Ich engagiere mich, weil ich generell gerne meine Ideen umsetze, die sich seit jeher nicht nur auf die eigenen Entscheidungen als Spieler auf dem Platz beschränkten. In eine leitende bzw. führende Rolle zu schlüpfen, um für ebendiesen Ideen auch die notwendige Entscheidungsmöglichkeit zu haben, war damit einhergehend der richtige Schritt für mich.

Dem Geschehen im Verein oder der jeweiligen Mannschaften einen eigenen und sich hoffentlich positiv erhaltenden Eindruck zu hinterlassen, gibt mir persönlich viel Kraft und Tatendrang. Die jeweiligen Mannschaften, bei denen das auch langfristig funktioniert, geben einem auch sehr viel zurück. Gemeinsam Siege und Niederlagen zu erleben, ist das Eine. Abseits des Platzes aber zu einer funktionierenden Gemeinschaft zu reifen und Feste zu feiern, ist der Lohn für die Vereinsarbeit.

Was muss aus deiner Sicht passieren, um den Frauenfußball insgesamt zukünftig nach vorne zu bringen? Und was würdest du dir hier von uns als Landesverband oder auch vom DFB wünschen?

Ich denke, dass das Hauptproblem die verfügbaren Sportstätten sind. Die Vereine lasten ihre jeweilige Stätte meist schon vollständig aus. Einen Frauenbereich zu gründen, kostet nicht nur viel Zeit und Arbeit, sondern muss auch organisatorisch umsetzbar sein. Viele Vereine haben keinen Platz für visionäre Ideen, einen Frauenbereich aufzubauen. Ich beobachte schon länger, dass verhältnismäßig große Städte (abseits von Leipzig, Dresden, Chemnitz, usw.) zwar starke Herrenmannschaften und einen breit gefächerten Nachwuchs vorweisen, aber keinerlei Frauen- und Mädchenfußball anbieten. Dass der Bedarf in diesen Städten eigentlich vorhanden ist, wird dadurch unterstrichen, dass meist im Randgebiet oder außerhalb Frauenmannschaften bei kleineren Vereinen existieren. Passende Beispiele sind die Städte Riesa (SV Königsblau Gohlis), Kamenz (Thonberger SC), Bautzen (SV Gnaschwitz-Doberschau) oder Görlitz (SV Reichenbach bzw. SV Ludwigsdorf) - hier sind Frauenmannschaften angesiedelt, für die mutmaßlich im Stadtgebiet der jeweils größeren Ortschaft kein Platz existierte.

Als weiteren Problempunkt sehe ich die Einstiegsschwierigkeiten in den jeweiligen Wettbewerb. Wir beobachten im Gebiet der Kreisunion Dresden/Meißen, dass Newcomer-Projekte, die auch wirklich mit Neulingen starten und nicht anderweitig Spielerinnen transferieren, im recht gut umkämpften Wettbewerb sportlich untergehen. Die bestehenden Mannschaften sind seit Jahren etabliert. Es bleiben meist nur drei Möglichkeiten: Spielerinnen dazuholen, hohe Niederlagen aushalten oder sich zurückziehen.

Wenn von Verbandsseite eine anderweitige Entwicklung gewünscht wird, sollte ein Anreizsystem geschaffen werden, zu möglichst gleicher Zeit mehrere Vereine gleichzeitig zur Meldung einer Frauenmannschaft zu motivieren. Wenn die Vereine einen entsprechenden Anreiz darin sehen und sich gleichzeitig mehrere Vereine zu einem entsprechenden Projekt entschließen, ist das schwere Los, die einzige Schießbude einer Spielklasse zu sein, schon ein Stück weit minimiert. Vielleicht kann hier auch übergangsweise im Rahmen eines solchen Projekts darüber nachzudenken, eine eigene "Neulings-Liga" als Pilot-Projekt zu gründen. Gegebenenfalls ist dann auch genügend Raum vorhanden, um Kleinfeldmannschaften in einer Stadt mit mehr als 500.000 Einwohnern hinsichtlich des Spielniveaus perspektivisch untereinander abzustufen. Dann werden zweistellige Ergebnisse im einzigen Kleinfeldwettbewerb zwischen den Teams ggf. seltener. Aus einem funktionierenden Unterbau auf Kreis- bzw. Stadtebene kann dann auch die Landesebene profitieren. Voraussetzungen hierfür ist aber wie schon gesagt, dass ausreichend Sportstätten existieren.

Auch perspektivisch sehen wir in der Gründung von Frauenmannschaften in einem moderaten Wettbewerb auch die einzige Gelegenheit, weiblichen Nachwuchs flächendeckend zu fördern. Welchen Anreiz haben die Vereine sonst, Mädchen im Verein aufzunehmen, wenn sie mangels Perspektive (ohne Frauenmannschaft) früher oder später vor die Tür gesetzt werden müssen? Auch wenn es ambitionierte Projekte in Vereinen gibt, die im Nachwuchs starten und erst dann in den Erwachsenenbereich übergehen, ist diese Möglichkeit in meinen Augen auch zu erörtern. So sind wir sportlich dem Stadtverband Dresden, geografisch aber dem Landkreis Meißen zugeordnet. Im Kreisverband ist meines Erachtens nur noch eine Frauenmannschaft gemeldet - in Gohlis bei Riesa. Unseren weiblichen Nachwuchs ziehen wir somit aus einem Umkreis von 20 km. Auch wenn wir für den Moment der Nutznießer der Situation sind, ist diese Entwicklung natürlich nicht dass, was man als Aufbruchstimmung bezeichnen kann. Hier sind, wenn der Wunsch zur Förderung besteht, Politik und Verbände gefragt.

Vielen Dank für das Interview!

Von SFV