"Kommunikationsfähigkeit ist das A und O"

Die Leipzigerin Christine Weigelt ist seit mittlerweile 19 Jahren Schiedsrichterin. Im Interview spricht sie über ihre bisherige Karriere und Erfahrungen als Frau in der „Männerdomäne“ Fußball.

Christine Weigelt an der Seitenlinie der Frauen-Bundesliga. (privat)

Regelmäßig pfeift Christine Weigelt Landesliga-Partien der Herren. (privat)

Die Leipzigerin Christine Weigelt (31) ist seit mittlerweile 19 Jahren Schiedsrichterin. Über ihre bisherige Karriere, Erfahrungen als Frau in der „Männerdomäne“ Fußball und aktuelle Themen sprach sie mit Lars Albert.

Schön, dass Du Dir etwas Zeit nimmst Christine. Wie bist Du eigentlich Schiedsrichterin geworden und wie hat sich Deine Laufbahn gestaltet.

Ich hab als sechsjähriges Kind angefangen Fußball zu spielen. Mit 12 habe ich aufgehört, weil Jungs und Mädchen dann getrennt spielen mussten. Damals gab es noch keine Mädchenmannschaften. In meinem Verein KSC 1864 Leipzig wurden aber Schiedsrichter gesucht, da habe ich kurz überlegt und mich dann angemeldet. Mit 12 habe ich meinen Schiedsrichterschein gemacht und Nachwuchsmannschaften gepfiffen, mit 16 dann das erste Herrenspiel. Von da an ging es langsam aber stetig aufwärts bis in die damalige Bezirksliga, inzwischen in die Landesliga der Männer. Bei den Frauen bin ich seit 2004 im DFB-Bereich als Assistentin in der 1. Frauen-Bundesliga aktiv, seit 2007 pfeife ich in der 2. Frauen-Bundesliga.

Worin bestehen aus Deiner Sicht die größten Unterschiede zwischen Frauen-Bundesliga-Frauen und Herren-Landesliga? Gibt es für dich besonderen Herausforderungen bei diesen Spielleitungen?

Die Landesliga-Spiele sind schneller und intensiver. Außerdem gibt es mehr Zweikämpfe zu bewerten. Ich muss bei Männerspielen mehr laufen. Dazu kommt, dass es bei den Spielen in der Landesliga manchmal schwerer ist, als weiblicher Schiedsrichter Akzeptanz zu finden. Kontroverse Entscheidungen werden schnell mit meinem Geschlecht in Verbindung gebracht. Außerdem ist manchmal die Stimmung der Zuschauer aggressiver. Aber auch die Spiele bei den Frauen sind oft sehr intensiv, gerade wenn es um Top-Platzierungen in der Liga oder den Abstieg geht. Insgesamt ist die Stimmung aber familiärer.

Es gibt über 73.000 Schiedsrichter in Deutschland, nur ein Bruchteil davon ist weiblich. Also alles „ganz easy“, in die Frauen-Bundesliga zu kommen, oder?

Nein, absolut nicht. Man wird schon in der 2. Frauen-Bundesliga bei jedem Spiel beobachtet und darf keine schlechten Bewertungen bekommen. Zudem braucht man Menschen, die einen unterstützen und fördern. Es gibt jedes Jahr Auswahlturniere und Lehrgänge, Fitness- und Regeltests müssen bestanden werden und Training nimmt neben den Spieleinsätzen auch viel Zeit in Anspruch. Außerdem ist es auch eine Frage, wie viel Plätze mein Regionalverband in diesen Ligen besetzen darf und das sind nicht viele. Auch wenn es vergleichsweise wenige Schiedsrichterinnen gibt, in den Ligen ist die Konkurrenz schon groß. Wenn dann alles passt, hat man eine Chance. Der Weg in die 2. oder sogar 1. Liga ist aber echt schwer.

Welche „Rückschläge“ bzw. „Höhepunkte“ siehst Du als prägend für Deine bisherige Laufbahn an?

Ich hatte einen Kreuzbandriss und später einen Innenmeniskusriss, weswegen ich 2013 operiert werden musste. Dadurch wurde ich aus der 2. Liga der Frauen in die Regionalliga zurückgestuft. Das war eine harte Zeit, aber ich habe mich zurück gekämpft. Allgemein sind Verletzungen immer schwer zu verdauen, aber seitdem habe ich nichts mehr gehabt, Toi Toi Toi.

Bei den Höhepunkten fallen mir zwei Spiele ein. Einmal das Topspiel der Landesklasse 2013/14 zwischen Chemie Leipzig und Zwenkau vor 1.300 Zuschauern im Alfred-Kunze-Sportpark. Erster gegen Zweiter, ein entscheidendes Spiel. Das zweite war das DFB-Pokal-Viertelfinale 2015 bei den Frauen – 1.FC Lübars gegen SC Freiburg - im Berliner Mommsenstadion. Ach ja, dann war ich noch Assistentin bei einem U20-Länderspiel, Deutschland gegen Norwegen, das war auch ein Highlight. Aber im Prinzip ist jedes Spiel eine Herausforderung, besonders in der höchsten Leistungsklasse.

Welche Tipps würdest Du einer 18-jährigen Jungschiedsrichterin geben, die richtig „Bock hat“ zu pfeifen?

Jedes Spiel ernst und konzentriert angehen, geduldig bleiben und sich viel mit den Assistenten und anderen Schiedsrichtern über getroffene Entscheidungen austauschen. Kommunikationsfähigkeit ist das A und O. Viele Fußballspiele ansehen, den Schiedsrichter dabei beobachten und Positives übernehmen. Erfahrungen sammeln, aber das braucht einige Jahre. Selbstkritisch und reflektiert sein, aber auch zu sich stehen und an sich glauben. Ganz wichtig ist die eigene Fitness, und zudem ist es von Vorteil, wenn man selbst mal Fußball gespielt hat.

Wie hältst Du Dich eigentlich fit und bekommst Du von Seiten Deines Vereines oder Verbandes spezielle Unterstützung?

Ja, ich bin in der Spitzenfördergruppe des SFV, der insgesamt nur sieben Schiedsrichter angehören. Wir treffen uns alle zwei Wochen zu einer speziell auf uns abgestimmten Trainingseinheit, die von zwei professionellen Trainern geleitet wird. Da wird aktiv an der Lauftechnik gearbeitet sowie Kondition und Kraft trainiert. Außerdem werden wir sportpsychologisch begleitet. Darüber hinaus bekommen wir einen individuellen Trainingsplan, für dessen Umsetzung Jede(r) selbst verantwortlich ist. So komme ich im Normalfall, inklusive Spielleitung(en) am Wochenende, auf fünf bis sechs Tage Sport in der Woche. Außerdem bin ich bei meinem Verein RB Leipzig in eine sehr intakte Schiedsrichtergruppe integriert und werde auch hier optimal unterstützt.

Zum Abschluss: Was hältst Du von den geplanten Regeländerungen, Stichwort „Videobeweis“ / „Wegfall der Dreifachbestrafung bei Notbremse“?

Der Videobeweis ist kein einfaches Thema. Einerseits stehen Bundesliga- oder internationale Spiele auf so hohem Niveau, dass es für Schiedsrichter schwierig ist, immer die richtigen Entscheidungen zu treffen. Fehlentscheidungen können für Vereine wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen. Deswegen kann ich jene verstehen, die den Videobeweis fordern. Aber einfach umzusetzen wäre das nicht und Fußball lebt meiner Meinung nach auch davon, dass es strittige Situationen gibt, über die dann diskutiert wird. Außerdem macht es auch einen gewissen Reiz aus, dass von der Bundesliga bis zur Kreisliga nach den gleichen Regeln gespielt wird. Ich kann beide Standpunkte nachvollziehen.

Zur Doppel- bzw. Dreifachbestrafung: eine Notbremse im Strafraum zieht einen Strafstoß und eine Rote Karte nach sich. Das ist zwar hart, für mich aber das richtige Maß. Beim Torwart würde ich das anders sehen, weil der Verlust des Torhüters nochmal schwerer ins Gewicht fällt, als der eines Feldspielers. Da kann ich mir vorstellen, dass auch gelb reichen würde.

Von Schiedsrichter