Ein Leben für den Fußball

Hermann Pezenka ist seit mehr als 50 Jahren im Ehrenamt, hat dabei viel Größen des Fußballs kennengelernt und haufenweise Geschichten zu erzählen. Im Interview gibt Hermann etwas davon preis und spricht vor allem über seine Motivation.

Seit mehr als 50 Jahren im Ehrenamt. Wir haben Hermann Pezenka nach dem "Warum?" gefragt. © Alexander Rabe

Als ich mich mit Hermann Pezenka zum Interview treffe, liegt sein 81. Geburtstag erst wenige Tage zurück. Er hat den Termin mit einer anderen Sitzung zum Schulfußball verbunden. Eigentlich wurde er beim SFV-Verbandstag 2018 aus dem Jugendausschuss verabschiedet, hilft im Notfall aber immer noch aus. Nach dem Interview beim Mittagessen an der Sportschule wird er von einem jungen Mann begrüßt. Er ist Landestrainer der U 15-Junioren Landesauswahl von Bremen, die in Leipzig gerade einen Gemeinschaftslehrgang mit Sachsen absolviert. Die Begrüßung ist fast ehrfürchtig und der Status, den Hermann Pezenka in der Fußballszene genießt, lässt sich schnell erahnen.

Mit 81 Jahren sind seine Augen noch hellwach. Meine Fragen hört er sich genau an und nimmt sich Zeit für seine Antworten. Verglichen mit einem durchschnittlichen 81-Jährigen ist er vermutlich eine absolute Ausnahme. Er erinnert sich teilweise noch an Tage, die mehrere Jahrzehnte in der Vergangenheit liegen und man merkt an seiner Mimik, dass er die Geschichten beim Erzählen noch einmal durchlebt. Doch eine Sache ist klar: Eine Stunde mit Hermann Pezenka ist viel zu kurz. Seine Laufbahn würde ein ganzes Buch füllen.

Du bist jetzt 81 Jahre und wurdest beim Verbandstag im Oktober 2018 aus dem Jugendausschuss verabschiedet. In den letzten Tagen warst du schon wieder hier und hast bei der Einschulungsüberprüfung unterstützt. Bist du noch nicht müde?

Wenn ich gebraucht werde, helfe ich gern. Ich mache das jetzt seit 1965. Begonnen hat alles nach meiner aktiven Laufbahn bei Mittweida und Chemnitz. Nach einem Mittelfußbruch, der zur heutigen Zeit in ein paar Wochen auskuriert ist, war an Fußballspielen nicht mehr zu denken. Meine erste Station war die Funktion des Mannschaftsleiters bei der BSG Motor West Karl-Marx-Stadt. Das hat sich dann einfach fortgesetzt: Mannschaftsleiter einer Bezirksauswahl, Mitglied und später Vorsitzender der Bezirkskommission Kinder und Jugendsport und damit gleichzeitig im Vorstand des Bezirksverbandes, seit 1983 Mitglied in der Kommission des DFV der DDR und von 1998 bis zur Auflösung der Bezirke 2010 Vorsitzender des Bezirksverbandes Chemnitz, was natürlich auch mit einer Funktion im SFV-Vorstand verbunden war. Außerdem war ich im Präsidium des SFV und bis 2018 auch stellvertretender Vorsitzender des NOFV-Jugendausschusses. Nach der Wiedervereinigung wurde ich in den Ausschuss Schulfußball des DFB gewählt. Aber auch nach meiner Verabschiedung im letzten Jahr beim SFV und NOFV habe ich gesagt: Wenn ihr mich braucht bin ich da. Ich mache es immer noch gern und meinen Nachfolger Oliver Drechsler kann ich so noch unterstützen.

Wenn man dich mit anderen 80-Jährigen vergleicht, bist du noch topfit. Waren diese Aufgaben auch ein Jungbrunnen?

Auf jeden Fall. Wenn ich heute meine ehemaligen Mitschüler bei Klassentreffen wiedersehe, kann ich nur sagen, dass es jemand gut mit mir meinte. Natürlich gibt es auch Tage, da zwickt es hier und da, aber ich fühle mich immer noch wohl. Durch meine Funktion in den Auswahlmannschaften war ich immer mit jungen Menschen zusammen. Das hält einfach jung.

Du warst immer im Nachwuchsfußball tätig. Was hat dich daran fasziniert?

Das stimmt. Bei Spielen im Herrenbereich war ich eher selten, wobei ich auch sehr viele gesehen habe. Trotzdem hat es mir der Jugendbereich besonders angetan. Vor allem die Spieler auf ihren Wegen zu begleiten, hat mich fasziniert, zu beobachten, wie sie sich sportlich und persönlich entwickeln. Mit vielen Spielern habe ich alle U-Nationalmannschaften durchlaufen und sie sehr gut kennengelernt. Wenn ich heute Fußball gucke, bin ich stolz darauf, ein Teil der Entwicklung der Jungs gewesen zu sein, auch wenn ich keinen direkten Anteil an der sportlichen Entwicklung hatte. Ich bin mit den besten Spielern durch die Welt gereist und kenne von den Deutschen Nationalmannschaften viele Spieler persönlich. Viele erkennen und begrüßen mich auch noch.

Welche Höhepunkte aus 54 Jahren Ehrenamt sind dir besonders in Erinnerung geblieben.

Ich habe unzählige Turniere und Länderspiele mitgemacht. Aber ein ganz wesentlicher Vorzug meiner Funktionen war, dass ich unheimlich viele tolle Menschen kennengelernt habe. Gute Leute, von denen ich persönlich viel gelernt habe. Noch heute treffen wir uns einmal im Jahr mit den alten Mitgliedern des 1991 gegründeten DFB-Ausschuss für Schulfußball. Natürlich mit den Familien. Daraus sind Freundschaften entstanden. Ich wurde nach der Wiedervereinigung übrigens sehr gut in den DFB-Gremien aufgenommen und die Zusammenarbeit mit den anderen Landesverbänden war immer sehr angenehm.

Mein erstes U-Länderspiel werde ich nie vergessen. Das war 1991 in Clairefontaine gegen Frankreich. Mein schönstes Spiel habe ich 1997 erlebt. Im alten Wembley-Stadion in London haben die U 15-Nationalmannschaften von Deutschland und England vor mehr als 80.000 Zuschauern gespielt. Wir haben zwar mit 1:2 verloren, dafür habe ich aber in der Loge der Queen gesessen. Oder als ich 2009 im Organisations-Komitee die U 17 Europameisterschaft in Sachsen und Thüringen mitorganisiert habe. Bei der Eröffnung der Sportschule in Leipzig haben wir mit Egidius Braun und Klaus Reichenbach bis weit in die Nacht Skat gespielt. Das sind Erinnerungen, die du nie vergisst. Aber es gab noch sehr viel mehr schöne Momente, die meine Zeit so wertvoll gemacht haben. Trotzdem war nicht alles immer ein Vergnügen. Es gab auch Rückschläge, Zeiten in denen man den Kanal voll hatte.

Nun bist du ja schon einige Jahre Rentner. Wie hast du das alles unter einen Hut gebracht, als du noch berufstätig warst?

Ich war Lehrer in Chemnitz und hatte tolle Kollegen, die mich immer vertreten haben. Im Gegenzug habe ich meine Kollegen aber auch vertreten. Wir haben eigentlich immer eine Lösung gefunden, wobei man sagen muss, dass viele Maßnahmen in den Ferien stattgefunden haben. Meine Familie musste allerdings auf vieles verzichten. Während ich noch gearbeitet habe, gab es gemeinsame Urlaube so gut wie nie. Ich hatte aber das Glück, dass meine Frau von Anfang an viel Verständnis gezeigt hat. Sehr viel. Und als Entschädigung habe ich sie zu einigen Höhepunkten mitgenommen. Wie zum Beispiel zu vielen Länderspielen oder einer Sendung „WETTEN DASS“ die anlässlich von 100 Jahre DFB in Leipzig stattfand.

Welche Auszeichnungen hast du für dein Engagement erhalten?

Also ich habe alles (lacht). Angefangen von allen Stufen der Bezirksehrungen über Landesauszeichnungen bis hin zu Ehrenplaketten und Ehrenmitgliedschaften. Da halte ich mich aber lieber etwas zurück, da mir solche Dinge nie wichtig waren. Es sind aber immerhin Zeichen der Wertschätzung.

Mittlerweile haben ja viele Vereine ein Problem damit, Ehrenamtliche zu gewinnen. Was würdest du Vereinen im Hinblick auf diese Problematik raten?

Heutzutage ist es unheimlich schwer, Menschen für ein Ehrenamt zu gewinnen. Da ist zum einen das Zeitproblem durch Arbeit oder Studium und die zweite Frage lautet meistens: Was kriege ich dafür? Um perspektivisch genügend ehrenamtliche Mitarbeiter im Verein zu haben, empfehle ich, so früh wie möglich mit der Gewinnung zu beginnen. Und das am besten bei den eigenen Mitgliedern und auf persönlicher Ebene. Ein Vereinsvorsitzender oder Abteilungsleiter sollten sich nicht zu schade sein, ihre Mannschaften persönlich anzusprechen und konkrete Angebote zu unterbreiten. Und was ich noch für viel wichtiger halte, ist der direkte Kontakt zu Schulen. Vereine müssen in den Schulen aktiver werden. Zum einen gewinnen sie dadurch Nachwuchs und erhöhen zum anderen die Chance auf potenzielle Ehrenamtler. Das ist nicht einfach und erfordert eine Idee, ist deutschlandweit aber noch viel zu wenig ausgeprägt. Es gibt einige positive Beispiele, wo sowohl Schule als auch Verein partizipieren. Das fängt bei der gemeinsamen Nutzung von Sportstätten an. Auf eine Anzeige in der Tageszeitung werden sich nicht viele melden.

Von Alexander Rabe